Online Safety Act – Großbritanniens Versuch, das Internet sicherer zu machen
Deutschland kennt den Online Safety Act kaum, dabei ist er ein wichtiges Experiment. Großbritannien hat das getan, worüber Europa noch diskutiert:
Mit dem Online Safety Act will die Regierung Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt, sexuellen Inhalten, Mobbing und Manipulation im Netz schützen. Ein umfassendes Gesetz, das auch die Plattformen endlich zur Verantwortung ziehen soll.
Es ist eines der strengsten Internetgesetze der Welt und es zeigt gleichzeitig, wie schwer es ist, digitale Sicherheit tatsächlich umzusetzen.
Mit dem Digital Services Act arbeitet auch die EU an ähnlichen Regeln, die Plattformen in Zukunft stärker in die Pflicht nehmen werden. Der britische Ansatz zeigt, wohin die Reise geht, aber auch, wo die Probleme liegen und wie leicht gute Ideen scheitern können.
Bild generiert mit Hilfe von KI (ChatGPT/DALL·E, OpenAI)
Ein Gesetz mit großen Zielen
Der Online Safety Act wurde 2023 beschlossen und erhielt am 26. Oktober 2023 die Zustimmung des britischen Parlaments. Seit 2024 wird er schrittweise umgesetzt. Im März 2025 traten die ersten Regeln gegen illegale Inhalte in Kraft, im Juli 2025 folgten die Vorschriften zum Kinderschutz und zur Altersprüfung.
Das Gesetz verpflichtet Plattformen wie TikTok, Instagram, YouTube, X, Discord oder Gaming-Dienste,
gefährliche Inhalte aktiv zu erkennen und zu löschen,
das Alter ihrer Nutzer zu überprüfen,
Elternfunktionen anzubieten und
bei Verstößen hohe Bußgelder zu riskieren – bis zu 10 Prozent des weltweiten Umsatzes.
Das Ziel klingt richtig: Kinder sollen im Internet denselben Schutz genießen wie im echten Leben.
Warum das Gesetz kam
Auslöser waren mehrere Fälle, die Großbritannien erschütterten: Kinder und Jugendliche hatten auf Plattformen wie Instagram, TikTok oder Foren Inhalte über Selbstverletzung, Essstörungen oder Suizid gesehen – teilweise mit tödlichen Folgen. Eltern forderten klare Verantwortung der Plattformen, nicht nur leere Versprechen. Der Druck auf die Regierung wuchs enorm.
Der Online Safety Act war eine Reaktion auf diesen gesellschaftlichen Druck. Er zeigt, dass Eltern etwas bewegen können, wenn sie zusammenhalten und sich Gehör verschaffen. Viele britische Familien wollten nicht länger zusehen, wie Kinder ungeschützt in digitale Abgründe geraten, während Plattformen mit Ausreden reagieren. Es sollte die Macht großer Tech-Konzerne begrenzen und sie zwingen, Risiken endlich ernst zu nehmen.
Wie der Online Safety Act aufgenommen wurde
Die Reaktionen waren gespalten. Viele Eltern und Schulen begrüßten das Gesetz. Es gab nun endlich klare Regeln, endlich Konsequenzen. Auch viele Briten unterstützen laut Umfragen das Ziel, Kinder besser zu schützen.
Doch es gab auch heftige Kritik. Datenschützer und Bürgerrechtsorganisationen warnen, dass die neuen Regeln tief in Privatsphäre und Meinungsfreiheit eingreifen. Wenn Plattformen Inhalte automatisch filtern müssen, besteht die Gefahr, dass sie zu viel löschen und so auch harmlose Diskussionen unterdrücken.
Technikexperten wiesen außerdem früh darauf hin, dass die verlangten Alterskontrollen technisch kaum sicher umzusetzen sind.
Der große Praxistest & das Scheitern bei Discord
Genau hier zeigt sich die Schwäche des Systems. Seit Sommer 2025 testet der Messengerdienst Discord in Großbritannien ein KI Verfahren zur Altersprüfung. Nutzer müssen ein Selfie Video hochladen, damit die Software ihr Alter schätzt.
Der Journalist Sean Martin von PC Gamer wollte wissen, ob das wirklich funktioniert. Er nutzte dafür kein echtes Gesicht, sondern ein Foto aus dem Spiel Death Stranding. Die KI erkannte die Spielfigur als echten Menschen und bestätigte die Volljährigkeit.
Ein symbolisches Beispiel dafür, dass Technik keine perfekte Lösung ist. Selbst gut gemeinte Maßnahmen lassen sich leicht austricksen, durch Spielgrafik, KI Bilder oder einfache Tricks.
Hilft das Gesetz trotzdem?
Ja, und das ist wichtig zu betonen. Der Online Safety Act setzt klare Grenzen und zwingt Plattformen zum Handeln. Schon jetzt müssen Anbieter in Großbritannien zeigen, wie sie gefährliche Inhalte verhindern und wie sie Kinder technisch absichern. Auch Altersnachweise bei Pornoseiten werden kontrolliert, was jahrelang verschoben wurde.
Aber kein System ist unfehlbar. Ein Bericht des britischen Parlaments vom Sommer 2025 stellte fest, dass das Gesetz zwar ein starkes Signal sendet, aber Desinformation und neue Risiken durch KI noch nicht ausreichend abdeckt.
Bild generiert mit Hilfe von KI (Gemini, Google)
Ein Vorbild für Deutschland und Europa?
In Deutschland kennt man den Online Safety Act kaum, dabei ist er ein wichtiges Experiment. Mit dem Digital Services Act arbeitet auch die EU an ähnlichen Regeln, die in Zukunft Plattformen stärker in die Pflicht nehmen sollen.
Der britische Ansatz zeigt, wohin die Reise geht, aber auch, wie leicht sie scheitern kann. Denn Technik allein kann Reife, Verantwortungsbewusstsein und gesunden Menschenverstand nicht ersetzen. Wenn schon ein Spielbild die KI täuscht, ist klar: Video-Alterschecks lösen das Grundproblem nicht.
Echte Sicherheit entsteht, wenn Eltern, Schulen, Politik und Plattformen zusammenarbeiten. Echter Schutz entsteht durch Aufklärung, Begleitung und gemeinsame Verantwortung, nicht durch die Illusion, dass eine KI das Alter eines Kindes zuverlässig erkennt.
Was Eltern tun können
Sprich mit deinem Kind über Altersfreigaben und warum sie wichtig sind.
Prüfe Kontoeinstellungen auf Plattformen wie Discord, YouTube oder TikTok.
Aktiviere Familienfilter und sichere Suchfunktionen.
Kläre über Datenweitergabe auf, wenn Plattformen Selfies oder Ausweise verlangen.
Verlasse dich nicht auf Technik, sondern auf Vertrauen und Begleitung im Alltag.
Fazit
Der Online Safety Act ist kein perfektes, aber ein mutiges Gesetz. Er zeigt, dass Eltern mit vereinter Stimme etwas bewegen können und dass Politik handeln muss, wenn Druck entsteht. Die Regelung ist richtig, aber die Umsetzung bleibt schwierig. Das Beispiel Discord macht deutlich, dass auch die beste Technik nicht automatisch schützt. Sicherheit im Netz entsteht, wenn Gesetze, Plattformen und Eltern gemeinsam Verantwortung übernehmen.
Es braucht digitale Bildung, gesunden Menschenverstand und ehrliche Debatten darüber, wie Schutz im Netz wirklich funktioniert.
Quellen und weiterführende Informationen
UK Government (gov.uk) – Offizielle Informationen zum Online Safety Act und den Umsetzungsphasen (veröffentlicht 2023–2025)
https://www.gov.uk/government/collections/online-safety-actPC Gamer (Sean Martin, Oktober 2025) – Bericht über den Test der Altersverifikation bei Discord und die Umgehung über das Spiel Death Stranding
https://www.pcgamer.com/hardware/brits-can-get-around-discords-age-verificationParliament.uk (Juli 2025) – Bericht des Science, Innovation and Technology Committee zum Stand des Online Safety Regimes
https://committees.parliament.uk/committee/135/science-innovation-and-technology-committee/news/208296Electronic Frontier Foundation (EFF, August 2025) – Kritische Analyse, warum der Online Safety Act Kinder nicht ausreichend schützt
https://www.eff.org/deeplinks/2025/08/no-uks-online-safety-act-doesnt-make-children-safer-onlineReuters (Juli 2025) – Bericht über Altersverifikationspflichten bei Pornoseiten und erste Ermittlungen
https://www.reuters.com/world/uk/uk-probes-34-porn-sites-under-new-age-check-rules-2025-07-31