Social Media erst ab 16 Jahren - Ein neuer Vorstoß aus Brüssel

Stand 26. November 2025: An diesem Tag hat das Europäische Parlament einen weitreichenden Beschluss gefasst. Die Abgeordneten fordern strengere Regeln zum Schutz Minderjähriger im Netz. Social Media, Videoportale und KI Assistenten sollen erst ab 16 frei zugänglich sein. Jugendliche zwischen 13 und 16 Jahren sollen diese Dienste nur nutzen dürfen, wenn Eltern ausdrücklich zustimmen.

Der Beschluss stellt nicht nur die Frage, ab welchem Alter Kinder Plattformen nutzen dürfen. Er stellt auch die Frage, wie Plattformen überhaupt für junge Nutzer gestaltet sein dürfen. Die Abgeordneten wollen Mechanismen begrenzen, die Kinder nachweislich unter Druck setzen. Dazu gehören endlos scrollende Feeds, aggressive Empfehlungssysteme und Designs, die Kinder zu möglichst langer Nutzung verleiten.

Zum ersten Mal spricht ein europäisches Gremium offen aus, dass die bisherige Selbstregulierung nicht ausreicht.

Bild generiert mit Hilfe von KI (Gemini, Google)

Zählmarke

Warum jetzt?

Die Forderungen des Parlaments stützen sich auf eine Reihe aktueller europäischer Studien. Sie zeigen übereinstimmend, dass viele Kinder und Jugendliche Schwierigkeiten haben, Risiken zu erkennen oder ihre Nutzung zu regulieren. Gleichzeitig empfinden Eltern, Schulen und Beratungsstellen die Lage als immer belastender.

Zentrale Befunde:

  • EU Kids Online 2023: Ein relevanter Anteil der 11 bis 17 Jahre alten Kinder zeigt Merkmale einer problematischen Nutzung. Besonders häufig betroffen sind Dienste mit endlosem Scrollen und starken Wiederholungsreizen. Link: https://www.lse.ac.uk/media-and-communications/research/research-projects/eu-kids-online

  • DAK Langzeitstudie Mediensucht 2022; Etwa ein Viertel der 10 bis 17 Jahre alten Kinder nutzt soziale Medien riskant. Ein hoher einstelliger Prozentsatz zeigt Kriterien von Abhängigkeit. Die Tendenz hat sich über zehn Jahre deutlich verstärkt. Link: https://www.dak.de/dak/unternehmen/reporte-forschung/dak-studie-mediensucht-2024_91442

  • WHO Bericht 2024: WHO Europa berichtet von einem deutlichen Anstieg problematischer Social Media Nutzung und zeigt Zusammenhänge mit erhöhten Werten bei Angst, Depressivität und sozialem Druck. Link: https://www.who.int/europe

  • JIM Studie 2024: Social Media gehört für viele Jugendliche zu den stärksten Stressfaktoren im Alltag. Die Studie beschreibt, wie sehr Gruppendruck, Vergleichsdruck und ständige Erreichbarkeit Kinder belasten. Link: https://www.mpfs.de/studien

  • BEUC Bericht 2024: Die European Consumer Organisation zeigt, dass viele Eltern sich von Plattformdesigns systematisch ausmanövriert fühlen und Funktionen kaum überblicken können. Link: https://www.beuc.eu

Diese Studien bilden die Grundlage für den Vorstoß. Sie zeigen deutlich, dass Plattformen Strukturen geschaffen haben, die Risiken eher verstärken als verringern. Die Entscheidung des Parlaments ist eine Reaktion darauf.

Was genau verboten oder eingeschränkt werden soll

Das Parlament fordert mehrere tiefgreifende Änderungen im Design der Plattformen.

  • Endlos Scrollen abschalten: Feeds sollen für Minderjährige nicht mehr automatisch nachladen.

  • Autoplay stoppen: Videos sollen nicht automatisch weiterlaufen.

  • Empfehlungsalgorithmen begrenzen: Algorithmen, die Inhalte nach erwarteter Nutzungsdauer sortieren, sollen für Minderjährige nicht mehr erlaubt sein.

  • Lootboxen und Zufallskäufe entfernen: Mechaniken, die Glücksspiel imitieren, sollen für Kinder nicht zugänglich sein.

  • Influencer-Rekrutierung unterbinden: Plattformen sollen Minderjährige nicht dazu motivieren dürfen, Inhalte gegen Geld oder Reichweite zu produzieren.

  • KI und Deepfakes stärker regulieren: Darstellungen ohne Zustimmung sollen strenger behandelt werden. KI Assistenten müssen Standards zum Minderjährigenschutz erfüllen.

Zusätzlich fordert das Parlament eine europaweit einsetzbare Altersverifikation. Genannt wird unter anderem die eID Lösung, die das Alter prüft, ohne persönliche Daten offenzulegen.

Wie realistisch ist ein solches Gesetz

Der Beschluss ist kein Gesetz, sondern ein politischer Auftrag. Die Kommission muss nun entscheiden, ob sie daraus einen Entwurf erstellt. Danach beginnen Verhandlungen zwischen Parlament und Rat, gefolgt von einem Trilog. Erst dann könnte eine Verordnung oder Richtlinie entstehen.

Selbst wenn der politische Wille vorhanden ist, wäre der Prozess lang. Trotzdem setzt der Beschluss ein starkes Signal. Er zeigt Europas Bereitschaft, die Verantwortung nicht länger vollständig bei Eltern und Schulen abzuladen.

Was bedeutet das für Familien

Ein Jugendlicher sitzt vor einem EU Gebaeude und schaut konzentriert auf sein Smartphone. Im Hintergrund steht eine Frau und eine EU Flagge weht im Wind.

Bild generiert mit Hilfe von KI (ChatGPT/DALL·E, OpenAI)

Für Eltern könnte eine klare Altersgrenze eine Entlastung sein. Viele stehen heute zwischen Gruppendruck, Schulalltag und der Sorge, Kindern zu früh Zugang zu riskanten Mechanismen zu erlauben. Eine gesetzliche Grenze würde diese Entscheidung teilweise aus der familiären Ebene herauslösen.

Gleichzeitig ist absehbar, dass Kinder Ausweichwege suchen werden. Wenn die Systeme im Kern unverändert bleiben, wird der Druck in vielen Familien eher steigen.

Eine Altersgrenze kann deshalb nur ein Baustein sein. Ein sicherer digitaler Alltag entsteht erst, wenn Plattformen so gestaltet werden, dass Kinder nicht in Mechanismen geraten, die Stress, Angst oder Abhängigkeit verstärken.

Wird es funktionieren

Australien zeigt, wie schwierig die Umsetzung technischer Alterskontrollen ist. Dort arbeitet die Regierung an strengen Verifikationssystemen, kämpft aber mit technischen Grenzen und Datenschutzfragen. Systeme, die zu leicht sind, lassen sich umgehen. Systeme, die zu streng sind, erzeugen Überwachungsrisiken.

Viele Fachleute warnen daher vor zu hohen Erwartungen. Eine Altersgrenze kann wirken, aber nur wenn Plattformen gleichzeitig entschleunigt und sicher gestaltet werden.

Fazit

Der Vorstoß des Europäischen Parlaments ist ein wichtiger Schritt. Er zeigt, dass Europa das Problem ernst nimmt und nicht länger hinnimmt, dass Kinder in Strukturen geraten, die ihnen schaden können. Doch Altersgrenzen allein reichen nicht. Kinder müssen nicht aus dem Netz herausgehalten werden. Sie brauchen Räume, die ihrer Entwicklung entsprechen.

Europa steht jetzt vor einer Entscheidung. Entweder passen sich die Plattformen an die Bedürfnisse von Kindern an. Oder Kinder müssen sich weiterhin an Systeme anpassen, die nie für sie gedacht waren.

Quellen und weiterführende Informationen

Zurück
Zurück

Varvara Herbst erklärt psychologische Zusammenhänge für Eltern

Weiter
Weiter

FINSTA - warum so viele Kinder geheime Instagram Konten anlegen