Die gefährlichen Mechaniken von Mobile Games

Fast jedes Kind spielt heute Mobile Games. Ob im Bus, auf dem Sofa oder im Bett – die bunten Apps passen in jede Hosentasche und sind rund um die Uhr verfügbar. Für uns Eltern wirkt es zunächst harmlos: „Es ist doch nur ein Spiel.“ Doch wer genauer hinschaut, merkt schnell: Viele dieser Spiele sind so gebaut, dass Kinder stundenlang dabeibleiben – und dabei unter Druck geraten.

Junge spielt auf Handy

Bild generiert mit Hilfe von KI (ChatGPT/DALL·E, OpenAI)

Zählmarke

Warum Mobile Games so attraktiv sind

Mobile Games sind leicht zugänglich, kostenlos und sofort startklar. Laut JIM-Studie 2023 spielen über 70 % der 12- bis 17-Jährigen regelmäßig auf dem Smartphone, viele sogar schon in der Grundschule. Das erklärt, warum Kinder uns so früh danach fragen – „alle anderen spielen ja auch“.

Mechaniken, die uns Eltern zu denken geben sollten

  • Lootboxen und Glücksspielelemente: Kinder kaufen virtuelle Kisten, ohne zu wissen, was drin ist. Das macht neugierig – und kann süchtig machen.

  • Dark Patterns: Spiele sind so gestaltet, dass man schnell auf „Kaufen“ tippt oder unter Zeitdruck Entscheidungen trifft. Erwachsene durchschauen das oft nicht sofort – Kinder erst recht nicht.

  • Endlos-Schleifen: Es gibt kein wirkliches Ziel. Neue Level, tägliche Belohnungen, künstliche Wartezeiten halten Kinder dauerhaft beschäftigt.

  • Sozialer Druck: „Wenn du nicht mithältst, bist du schwach.“ Viele Spiele vergleichen Ergebnisse oder lassen Kinder gegeneinander antreten.

  • Werbeflut: In kostenlosen Spielen tauchen ständig Anzeigen auf – oft für noch mehr Spiele oder Käufe.

Welche Werte Kinder dabei lernen

  • Gewalt wird verharmlost: Kämpfen und Zerstören sind oft Hauptbestandteil.

  • Status durch Geld: Wer zahlt, ist im Vorteil. Das vermittelt: Erfolg hängt vom Geldbeutel ab.

  • Konsum statt Kreativität: Spiele setzen auf Kaufen statt auf eigene Ideen.

  • Sexualisierte Figuren: Gerade in Rollenspielen tauchen überzeichnete, sexualisierte Avatare auf – kein Bild, das Kinder brauchen.

Folgen im Alltag

Viele von uns haben es schon erlebt:

  • „Nur noch ein Level!“ – und plötzlich sind Stunden vergangen.

  • Frust, weil man ohne Geld nicht weiterkommt.

  • Käufe, die „aus Versehen“ getätigt wurden.

Und wer schon einmal versucht hat, Kinder vom Spielen wegzubekommen, kennt das: „Nur noch 5 Minuten, nur noch eine Sache, nur noch dieses Level...“ – die Kinder kommen nicht los. Diese Endlosschleife ist kein Zufall, sondern so programmiert. Spiele sind gezielt darauf ausgelegt, dass man „dranbleibt“ – Kinder haben dem oft nichts entgegenzusetzen.

Wichtig: Die Kinder können nichts dafür. Es wäre uns genauso gegangen, wenn wir damals solche Spiele gehabt hätten. Das Argument „Wir haben doch früher auch gespielt“ greift nicht. Die Spiele von damals waren in sich abgeschlossen: Man hat einmal bezahlt und dann gespielt – ohne Werbung, ohne permanente Chats, ohne Fremde, die Kontakt aufnehmen konnten.

Heute funktioniert das Geschäftsmodell komplett anders:

  • Spiele sind vermeintlich „kostenlos“.

  • Sie verdienen ihr Geld erst, wenn Spieler möglichst lange dabeibleiben – und möglichst oft zahlen.

  • Dafür müssen Kinder (und Erwachsene) süchtig gemacht werden: durch Belohnungsschleifen, Statussymbole, Wartezeiten und In-App-Käufe.

Ein Blick aufs Geld – warum „Free Games“ nicht kostenlos sind

Die Dimension zeigt ein Vergleich:

  • „Avatar“, einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, spielte weltweit ca. 2,9 Milliarden US-Dollar ein.

  • „Titanic“ brachte rund 2,2 Milliarden US-Dollar ein.

  • Doch „kostenlose“ Mobile Games wie Honor of Kings oder Candy Crush Saga erwirtschaften jedes Jahr (!) Umsätze in Milliardenhöhe. 2022 lagen die weltweiten Einnahmen der Mobile-Games-Branche bei über 90 Milliarden US-Dollar – fast zehnmal mehr als Hollywoods Kinohits.

Die Zahlen machen deutlich: Wenn diese Spiele wirklich kostenlos wären, könnte es diese Umsätze nicht geben. Sie verdienen nur, weil Menschen – vor allem Kinder und Jugendliche – immer wieder kleine Beträge ausgeben, die sich am Ende summieren.

Was wir Eltern tun können

  • Später anfangen lassen: Gerade in der Grundschule gibt es bessere Beschäftigungen als Mobile Games.

  • Spiele gemeinsam prüfen: Vor Installation selbst kurz reinschauen – und lieber Nein sagen, wenn das Spiel nur auf Kaufen und Werben ausgelegt ist.

  • Käufe sperren: In-App-Käufe lassen sich in den Einstellungen blockieren oder nur mit Passwort/Face-ID erlauben.

  • Zeit klar begrenzen: Am besten gemeinsam Regeln festlegen.

  • Darüber sprechen: Kindern erklären, dass Spiele extra so gestaltet sind, dass sie lange spielen sollen. Viele verstehen das, wenn man es offen erklärt.

  • Alternativen bieten: Sport, Kreatives oder Brettspiele helfen, den digitalen Druck auszugleichen.

Fazit

Mobile Games sind keine Kleinigkeit für zwischendurch. Sie bringen Mechanismen mit, die Kinder überfordern und belasten können. Und die Wahrheit ist: Es liegt nicht an den Kindern, sondern am Geschäftsmodell. Wer heute sagt „Wir haben früher auch gespielt“, übersieht, dass es komplett andere Spiele waren – einmal bezahlt, gespielt, fertig.

Heute gilt: Nur wenn Kinder möglichst lange gebunden werden, zahlen sie auch. Und nur dann verdient der Hersteller Geld. Deshalb sind Mobile Games so gefährlich – nicht weil Kinder „schwach“ sind, sondern weil sie gezielt abhängig gemacht werden.

Eltern müssen deshalb hinschauen, Alternativen bieten und die Einstiegshürde so lange wie möglich hochhalten. Spielen darf Spaß machen – aber nicht auf Kosten von Gesundheit, Geld oder Werten.


Quellen

  • JIM-Studie 2023https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/

  • Stiftung Warentest (2022) – Mobile Games: 15 von 16 inakzeptabel: https://www.test.de/Handyspiele-im-Test-15-von-16-sind-fuer-Kinder-nicht-zu-empfehlen-5890093-0/

  • Verbraucherzentrale – Dark Patterns in Spielen: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/digitale-welt/mobiles-internet/dark-patterns-wie-kinder-in-onlinespielen-in-kostenfallen-gelockt-werden-74491

  • Newzoo Global Games Market Report 2023 (Kurzfassung / Pressemitteilung): https://newzoo.com/resources/trend-reports/newzoo-global-games-market-report-2023-free

  • Box Office Mojo – Avatar (2,9 Mrd. USD): https://www.boxofficemojo.com/title/tt0499549/

  • Box Office Mojo – Titanic (2,2 Mrd. USD): https://www.boxofficemojo.com/title/tt0120338/

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