"Brain Rot": Einfluss der Smartphone-Nutzung auf das Gehirn

„Brain Rot“ durch Smartphones ist längst kein Witz mehr.

Was als Meme in den sozialen Medien begann – ein sarkastischer Kommentar zur digitalen Dauerberieselung – wird nun von der Wissenschaft bestätigt: Unser Gehirn verändert sich. Und nicht zum Guten. Neue Studien zeigen, dass schon zwei Stunden zielloses Scrollen pro Tag zu messbaren Veränderungen im Gehirn führen können. Das heißt: Viele von uns – und auch unsere Kinder – leben längst in einem Zustand, der nicht nur die Konzentration beeinträchtigt, sondern auch unser emotionales Gleichgewicht, unsere Merkfähigkeit und sogar die Hirnstruktur.

Bild erstellt mit künstlicher Intelligenz (ChatGPT / DALL·E von OpenAI)

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Was genau passiert da?

Wenn Menschen mit exzessivem Smartphone-Konsum im MRT untersucht werden, zeigen sich deutliche Veränderungen im Gehirn. Die Forschung spricht inzwischen eine klare Sprache:

„Smartphone-Abhängigkeit war mit einem verringerten Volumen der grauen Substanz in der linken vorderen Insula, im unteren Temporallappen und im parahippocampalen Kortex verbunden.“
(Horvath et al., 2020¹)

Diese Bereiche sind entscheidend für unsere Selbstwahrnehmung, unsere Erinnerungsfähigkeit und die Fähigkeit, Gefühle einzuordnen oder sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Besonders betroffen ist auch der anteriore cinguläre Cortex, der für Emotionsregulation und Konzentration zuständig ist – also genau das, was wir im Alltag als Eltern, im Job und im Umgang mit unseren Kindern brauchen.

Auch neuere Studien belegen, dass sich der übermäßige Smartphone-Konsum nicht nur auf die Struktur, sondern auch auf die Funktion des Gehirns auswirkt:

„Neurobildgebende Studien deuten darauf hin, dass übermäßiger Smartphone-Gebrauch das Belohnungssystem des Gehirns beeinflussen kann – ähnlich wie bei anderen Verhaltenssüchten.“
(Montag & Becker, 2023²)

Konkret zeigen sich unter anderem:

  • Weniger graue Substanz in der Insula – dem Bereich für Mitgefühl, Selbstreflexion und Körperbewusstsein

  • Veränderungen im Temporallappen – zuständig für Sprache, Gedächtnis und akustische Reize

  • Degeneration im parahippocampalen Cortex – dort, wo Erinnerungen gespeichert und verarbeitet werden

Kurz gesagt: Genau die Regionen, die für Denken, Fühlen, Erinnern und Entscheiden verantwortlich sind, werden durch zu viel Bildschirmzeit messbar geschwächt.

Und das ist noch nicht alles. Studien bringen übermäßigen Smartphone-Gebrauch auch in Zusammenhang mit:

  • einem niedrigeren Selbstwertgefühl

  • einem höheren Risiko für psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen

  • verlangsamten Lern- und Denkprozessen

  • einem erhöhten Risiko für frühzeitigen kognitiven Abbau

Gerade bei Kindern und Jugendlichen, deren Gehirne sich noch in der Entwicklung befinden, kann das langfristige Folgen haben – nicht nur fürs Lernen, sondern auch für emotionale Reife, soziale Fähigkeiten und psychische Stabilität.

CBS erklärt es ganz gut: https://youtu.be/cM-a2qzjcas?si=RJt4UCTj7poIJB4r

Was das für uns bedeutet

Kurz gesagt: Die Gehirnregionen für Konzentration, Selbststeuerung, Gedächtnis und emotionale Stabilität werden geschwächt, wenn wir (und unsere Kinder) zu viel Zeit am Smartphone verbringen.

„Übermäßiger Medienkonsum wurde mit strukturellen Veränderungen in Hirnregionen in Verbindung gebracht, die für Sprache, Aufmerksamkeit und exekutive Funktionen bei Kindern verantwortlich sind.“
(Chassiakos et al., American Academy of Pediatrics, 2016³)

 

Smartphone statt Stille – was geht dabei verloren?

Was früher ein Moment der Ruhe war – etwa beim Warten an der Ampel, beim Einschlafen, auf dem Weg zur Arbeit oder in der Küche – ist heute durchgehend gefüllt mit „Content“.
Viele von uns schaffen es kaum noch, zu essenlaufen oder nachdenken, ohne dabei nebenbei aufs Handy zu schauen.

  • ❌ Was früher Stille war, nennen wir heute „Langeweile“

  • ❌ Was früher Meditation war, ist heute „Reizentzug“

Der ständige Dopamin-Kick durch neue Reize macht süchtig – und sorgt dafür, dass unser Gehirn abstumpft, statt sich weiterzuentwickeln.

Und unsere Kinder?

Für Kinder und Jugendliche ist diese Entwicklung noch kritischer. Ihre Gehirne sind im Umbau – sie lernen gerade erst, mit Emotionen, Impulsen, Stress und Konzentration umzugehen.
Wenn sie in dieser Phase zu viel Zeit in digitalen Ablenkungen verbringen, fehlen ihnen wichtige Erfahrungen: Langeweile auszuhalten, sich in etwas zu vertiefen, echte Gespräche zu führen oder in sich hineinzuhören.

Und auch wir Eltern sind gefragt – nicht nur als Aufpasser, sondern vor allem als Vorbilder.
Kinder schauen nicht auf das, was wir sagen. Sie schauen auf das, was wir tun.

Was du tun kannst – für dich und für deine Familie

Die gute Nachricht: Du bist deinem Gehirn nicht ausgeliefert. Es kann sich verändern – und du kannst dabei aktiv mithelfen. Die gleichen Studien, die zeigen, wie stark uns übermäßiger Smartphone-Konsum schadet, geben auch Hinweise darauf, wie du diese Entwicklung umkehren oder zumindest verlangsamen kannst.

Das geht ganz ohne Detox-Retreat oder Nahrungsergänzungsmittel – sondern mit einfachen, aber wirksamen Strategien im Alltag:

1. Beweg dich – draußen, ohne Kopfhörer

Ein Spaziergang im Grünen wirkt wie ein Reset-Knopf fürs Gehirn. Kein Podcast, keine Musik. Einfach nur laufen, schauen, atmen.
Mit Kindern: Auch ein kleiner Umweg nach dem Kindergarten oder der Schule wirkt oft Wunder – ganz ohne Ablenkung.

2. Erledige Dinge, die du lange aufgeschoben hast

Ein überfälliger Papierstapel. Der quietschende Schrank. Der Wäscheberg.
Klingt langweilig, ist aber Training für deinen präfrontalen Kortex – den Bereich im Gehirn, der für Planung und Ausdauer zuständig ist.
Mit Kindern: Macht gemeinsam eine „10-Minuten-Aufräum-Challenge“.

3. Lies etwas, das dich fordert

Nicht nur Schlagzeilen oder WhatsApp. Sondern Texte, bei denen du wirklich mitdenken musst – ein Buch, ein Artikel, ein Essay.
Mit Kindern: Lies laut vor – auch bei älteren Kindern. Oder lies selbst sichtbar für dein Kind.

4. Lerne etwas, das du nicht kannst

Etwas Neues zu lernen – egal ob Gitarre, Jonglieren oder eine Sprache – aktiviert dein Gehirn wie kaum etwas anderes.
Mit Kindern: Zeig ihnen, dass Lernen auch bei Erwachsenen anstrengend sein darf – und dass sich Dranbleiben lohnt.

5. Iss alleine – ohne Bildschirm

Klingt banal, ist aber wirksam. Wer bewusst isst, stärkt Achtsamkeit und Körpergefühl.
In der Familie: Führ gemeinsame, bildschirmfreie Mahlzeiten ein. Kein Handy, kein Fernseher – dafür echte Gespräche (oder Stille).

6. Starte den Tag mit Sonnenlicht – nicht mit dem Handy

Schon wenige Minuten echtes Tageslicht helfen deinem Biorhythmus – und starten den Tag ruhig statt reizüberflutet.
Mit Kindern: Fenster auf, Frühstück mit Tageslicht, kurz vor die Tür – kleine Rituale mit großer Wirkung.

7. Mach eine Sache nach der anderen – kein Multitasking

Multitasking wirkt effizient, macht aber unkonzentriert.
Mit Kindern: Zeig ihnen, wie man sich auf eine Sache fokussiert – zum Beispiel beim Kochen, Spielen oder Reden.

8. Langeweile zulassen

Langeweile ist der Boden, auf dem Kreativität wächst.
Mit Kindern: Du musst nicht jede Minute füllen. Wer sich langweilt, wird oft erstaunlich schnell erfinderisch.

Fazit

Du musst nicht alles auf einmal ändern. Schon ein Spaziergang, eine ruhige Mahlzeit oder 10 Minuten Handy-Pause am Morgen machen einen Unterschied.
Und das Beste: Dein Kind schaut sich das ab. Nicht, weil du es predigst – sondern weil du es vorlebst.


Quellen

¹ Horvath et al. (2020): Structural and functional correlates of smartphone addiction, DOI: 10.1016/j.addbeh.2020.106334
² Montag & Becker (2023): Altered brain function in smartphone addiction, DOI: 10.3389/fpsyg.2023.1093473
³ Chassiakos et al. (2016): Children and Adolescents and Digital MediaPediatrics, DOI: 10.1542/peds.2016-2593

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