Besser lernen ohne Handy: Was Brasiliens Smartphone-Verbot nach einem Jahr zeigt

Medienberichte
Verfasst von Tobias Dillinger

In Brasilien gilt seit Anfang 2025 ein neues Gesetz, das die private Nutzung von Smartphones an allen Schulen verbietet. Während des Unterrichts, in Pausen und auf dem ganzen Schulgelände dürfen Kinder ihre Geräte nicht mehr benutzen. Nur für Unterrichtsaufgaben, gesundheitliche Gründe oder Notfälle gibt es Ausnahmen.

Die Idee dahinter ist simpel und sehr vertraut: Kinder sollen lernen können, ohne ständig von Social Media, Chats und Spielen aus ihrem Fokus gerissen zu werden.

Brasilianische Flagge weht im warmen Licht des Sonnenaufgangs vor einer weiten Landschaft.

Bild generiert mit Hilfe von KI (Gemini, Google)

Zählmarke

Erste Erfolge: Kinder lernen mehr und sind aufmerksamer

Post von Jonathan Haidt, Professor, NYU Stern School of Business auf X

Besonders häufig zitiert werden die Daten aus Rio de Janeiro. Dort wurde das Handyverbot bereits vor dem nationalen Gesetz im Rahmen eines Pilotprogramms getestet. Es wurden deutliche Lernfortschritte festgestellt, siehe auch den Post von Jonathan Haidt.

In einer Pressemeldung verweisen Vertreter der Regierung und die Initiatoren des Gesetzes auf eine Studie der Stanford-Universität die zeigt, dass das Verbot von Handys an den städtischen Schulen von Rio de Janeiro (Bundesstaat RJ) im Jahr 2024 zu besseren Schülerleistungen geführt hat:
Im Durchschnitt 25,7 % bessere Ergebnisse in Mathematik und 13,5 % bessere Ergebnisse im Fach Portugiesisch. (Quellen: CNN Brasil, Agência Brasil)

Wichtig ist: Das sind Pilotdaten aus einem städtischen Schulnetzwerk, keine landesweiten Zahlen. Trotzdem zeigen sie sehr deutlich, wie stark ein smartphonefreier Schulalltag das Lernen unterstützt. Die Forschenden betonen, dass weniger Geräte „den Fokus erhöht, Ablenkung reduziert und die Interaktion zwischen Lehrkräften und Schülern verbessert“.


Neue landesweite Daten: Aufmerksamkeit steigt deutlich

Eine große brasilienweite Befragung von 2025 bestätigt diesen Trend:

  • 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler sagen, sie können sich seit dem Handyverbot besser konzentrieren.

  • Bei Grundschulkindern liegt der Wert sogar bei über 85 Prozent.

  • Lehrkräfte berichten weniger Ablenkung, weniger Streit und mehr Ruhe.

  • Schulleitungen melden weniger Cybermobbing und weniger Konflikte, die aus Chats oder sozialen Netzwerken in die Schule getragen werden.

Für viele Schulen bedeutet das: Es ist wieder mehr ungestörte Lernzeit möglich, und das soziale Klima entspannt sich.

Aber: Auch Herausforderungen werden sichtbar

Ein Gesetz löst nicht alles automatisch. Brasilien zeigt sehr klar, dass die Umsetzung selbst Arbeit bedeutet. In mehreren Umfragen brasilianischer Bildungsbehörden wurden dazu erstmals konkrete Zahlen veröffentlicht:

Quantitative Umsetzungsprobleme (laut Befragungen 2025)

  • 30 Prozent der Schulen geben an, keine geeigneten Schließfächer oder gesicherten Aufbewahrungsorte zu haben.

  • 27 Prozent der Schulleitungen berichten, dass die Kontrolle der Geräte im Alltag „schwierig oder sehr schwierig“ ist.

  • 22 Prozent der Schulen sagen, dass Eltern die Regeln nicht konsequent unterstützen.

  • 18 Prozent der Lehrkräfte fühlen sich unsicher, wann Smartphones ausnahmsweise pädagogisch eingesetzt werden dürfen.

  • Und vor allem: 25 Prozent der Schulen gaben an, die Handys würden teilweise „im Ranzen verbleiben“, was die Umsetzung verkompliziert.

Diese Zahlen zeigen: Ein Handyverbot ist wirksam, aber die praktische Umsetzung braucht klare Regeln, gute Kommunikation, ausreichend Ausstattung und Unterstützung für die Schulen.

Der Blick nach Deutschland: Ganz ähnliche Probleme

Die Debatten in Deutschland klingen aktuell oft fast identisch:

  • Lehrkräfte berichten von starken Ablenkungen,

  • Kinder sehen Gewaltvideos auf dem Schulhof,

  • Konflikte aus WhatsApp, Snapchat oder TikTok eskalieren im Unterricht,

  • die Landesärztekammer Brandenburg fordert inzwischen selbst ein grundsätzliches Handyverbot. (Link zum Artikel)

Auch hier bei uns in Potsdam haben mehrere Schulen testweise strengere Smartphone-Regeln eingeführt. Die Rückmeldungen ähneln Brasilien:

  • mehr Ruhe,

  • weniger Streit,

  • bessere Konzentration,

  • weniger Druck durch ständige Erreichbarkeit.

Der Unterschied: Deutschland hat bisher keinen einheitlichen Rahmen, sondern ein Flickwerk aus Schulordnungen und Einzelinitiativen. Brasilien zeigt, wie stabil und wirksam es wird, wenn eine Regel für alle gilt – und gut erklärt wird.

Was Eltern daraus mitnehmen können

Für uns Eltern sind drei Dinge am wichtigsten:

  • Weniger Bildschirm im Schulalltag bedeutet mehr Lernzeit und bessere Konzentration.

  • Kinder sind sozial entspannter, wenn sie nicht ständig erreichbar sind.

  • Konflikte und Mobbing nehmen ab, wenn der digitale Druck reduziert wird.

  • Ein Handyverbot ist keine Strafe – es ist ein Schutzraum, in dem Kinder wieder Kind sein dürfen.

Natürlich löst ein Verbot nicht alle Probleme. Aber es schafft einen klaren, geschützten Rahmen. Und genau diesen Rahmen brauchen viele Kinder dringend.




Quellen

Tobias Dillinger https://www.dnmc.de
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