Handynutzung: Warum unsere Kinder nicht von allein aufhören können
Warum Kinder nicht einfach mit dem Handy aufhören können
Basierend auf einem Interview mit Daniel Wolff, erschienen auf dem Deutschen Schulportal (17. Juni 2025)
Das Handy nach einer halben Stunde weglegen und rausgehen zum Spielen? Was viele Eltern sich wünschen, ist für Kinder im Grundschulalter kaum realistisch. Der Digitaltrainer und Autor Daniel Wolff macht im Interview mit dem Deutschen Schulportal deutlich: Eine echte Selbstregulation im Umgang mit dem Smartphone entwickelt sich erst im Jugendalter – und selbst dann braucht es Begleitung.
Bild erstellt mit künstlicher Intelligenz (ChatGPT / DALL·E von OpenAI)
Ausschaltkompetenz statt Selbstdisziplin
Wolff spricht von „Ausschaltkompetenz“ – also der Fähigkeit, sich selbst von digitalen Inhalten zu lösen. In einer Welt voller Apps, die gezielt auf maximale Bildschirmzeit optimiert sind, ist das für Kinder eine nahezu unlösbare Aufgabe. Plattformen wie YouTube, TikTok oder Instagram liefern personalisierte Inhalte, die exakt auf die Vorlieben der Nutzer zugeschnitten sind. Der Mechanismus dahinter ist simpel: weiterwischen, Werbung sehen, länger bleiben – so verdienen die Plattformen Geld.
Kinder sind diesen Mechanismen weitgehend schutzlos ausgeliefert. Wolff betont, dass auch viele Erwachsene Schwierigkeiten haben, ihren eigenen Smartphone-Konsum zu kontrollieren – und damit als Vorbild kaum taugen. Dabei wäre genau das entscheidend.
Wer mehr über diese Mechanismen wissen möchte, findet verständliche Erklärungen z. B. auf www.klicksafe.de.
Was Eltern konkret tun können
Wolff nennt zwei sinnvolle Wege, Kinder zu schützen:
Spätere Einführung des Smartphones oder zumindest eine Einschränkung über Kinderschutz-Software. Doch: „Die meisten Kinder überlisten diese Schutzmechanismen irgendwann“, warnt Wolff.
Keine Sanktionen bei problematischer Nutzung. Eltern sollten nicht mit Entzug drohen, wenn das Kind z. B. Gewalt- oder Pornografieinhalte gesehen hat – etwa, weil ein Link im Klassenchat geteilt wurde. Wer mit Strafen reagiert, riskiert, dass Kinder beim nächsten Mal schweigen.
Statt Kontrolle braucht es Vertrauen, Gespräche und Verständnis. Nur so bleiben Kinder in der Verantwortung der Eltern – und allein sind sie mit der digitalen Realität ohnehin schon genug.
Medienerziehung ist kein Extra, sondern Pflicht
In seinen Workshops arbeitet Daniel Wolff mit Eltern, Lehrkräften und Kindern – möglichst am selben Tag. Nur wenn alle Beteiligten verstehen, wie digitale Systeme funktionieren, können sie Kinder kompetent begleiten. Medienerziehung dürfe nicht erst greifen, wenn es „brennt“, sagt Wolff – sie müsse fester Bestandteil des Schulalltagswerden, besonders in Grund-, Mittel- und Förderschulen.
Auch ein Smartphone-Verbot an Schulen hält er für sinnvoll – zumindest bis zur 8. Klasse. Besonders erfolgreich sei das Konzept „Away for the Day“: Die Geräte werden morgens abgegeben, und die Kinder erleben ihren Schulalltag bewusster. Doch Wolff warnt: Ein Verbot ersetzt keine Medienbildung. Im Gegenteil – gerade im Zeitalter von Algorithmen und KI braucht es mehr denn je eine reflektierte Medienkompetenz.
Fazit
Daniel Wolff fordert ein Umdenken: Ohne eine klare Haltung zur Smartphone-Nutzung stehen Kinder dem digitalen Sog weitgehend machtlos gegenüber. Die Verantwortung liegt bei uns Erwachsenen – als Eltern, als Lehrkräfte, als Gesellschaft.
Was es dafür braucht, ist keine Perfektion, sondern Präsenz: Eltern, die ansprechbar sind. Lehrkräfte, die Medienbildung ernst nehmen. Und eine Umgebung, die Kindern Orientierung gibt.
Wenn wir Kinder früh begleiten, offen mit ihnen sprechen und digitale Regeln gemeinsam gestalten, haben sie die besten Chancen, mit dem Smartphone selbstbestimmt umzugehen – Schritt für Schritt.