Sextortion und digitale Erpressung mit Porno-Malware & Deepfakes

Sextortion bedeutet, dass Menschen mit intimen Bildern erpresst werden. Die Täter drohen, diese Bilder zu verbreiten, wenn kein Geld gezahlt wird. Viele Eltern hören diesen Begriff zum ersten Mal. Doch das Thema betrifft längst auch Kinder und Jugendliche. Eine neue Schadsoftware mit dem Namen Stealerium zeigt, wie schnell Situationen entstehen können, die für junge Menschen peinlich sind und von Kriminellen ausgenutzt werden.

Stealerium soll laut Sicherheitsforschern pornografische Inhalte erkennen, sobald sie im Browser geöffnet werden. Im selben Moment erstellt die Malware automatisch Bildschirmfotos und Webcam Aufnahmen. Diese Dateien werden anschließend an Kriminelle gesendet. Was früher häufig nur eine leere Drohung war, ist heute technisch möglich.

Für Eltern bedeutet das: Unsere Kinder wachsen in einer Welt auf, in der Peinlichkeit, Scham und digitale Erpressung ein gefährlicher Mix sind. Täter brauchen dafür nicht einmal echte intime Aufnahmen.

Ein etwa dreizehnjähriges Kind sitzt im Kinderzimmer vor einem offenen Laptop und weint mit der Hand im Gesicht. Die Szene wirkt emotional und zeigt Überforderung im digitalen Umfeld.

Bild generiert mit Hilfe von KI (ChatGPT/DALL·E, OpenAI)

Zählmarke

Wie Stealerium Kinder und Jugendliche indirekt gefährdet

Auch wenn nicht alle Jugendlichen pornografische Seiten besuchen, zeigt Stealerium ein Muster, das für alle gefährlich ist. Täter nutzen Scham. Sie nutzen Unsicherheit. Sie nutzen die Angst vor peinlichen Bildern.

Die Malware verbreitet sich über realistisch gestaltete Mails, die wie Nachrichten von Banken oder Organisationen aussehen. Ein Klick kann reichen. Danach sammelt die Schadsoftware nicht nur intime Momente, sondern auch Passwörter, Chats und weitere Daten.

Für Eltern ist wichtig zu verstehen: Nicht der Besuch einer Seite ist das größte Risiko. Die eigentliche Gefahr ist die Erpressung. Und Kinder sind besonders verletzlich, weil sie kaum darüber sprechen.

Digitale Erpressung geht heute weit über echte Bilder hinaus

Der Cyberkriminologe Prof. Dr. Thomas Gabriel Rüdiger, Leiter des Instituts für Cyberkriminologie, beschreibt diese Entwicklung in einem LinkedIn-Beitrag deutlich:

„Früher ein Bluff, jetzt Realität. Diese Malware erkennt offenbar pornografische Inhalte und erzeugt automatisch Fotos. Persönlich glaube ich, dass das nur ein Übergang ist. In Zukunft können Täter künstliche Bilder problemlos selbst herstellen. Die Drohung allein wird reichen, damit Menschen zahlen.“

Hier sein LinkedIn-Beitrag 👉 https://www.linkedin.com/posts/tgruediger_stealerium-wenn-porno-erpressung-keine-leere-activity-7392974920139567104-Lki4

Wichtig für Eltern: Täter brauchen leider nicht mal die echten Aufnahmen unseres Kindes. Oft reicht ein einziges normales Foto im Internet. Und davon existieren viele, oft ohne dass Kinder es wissen. Durch Eltern. Durch Schulen. Durch Vereine. Durch Veranstaltungen.

Hier auf Medienzeit haben wir dazu schon mehrfach berichtet:

Sharenting: Wenn Eltern zu viel teilen
👉 https://www.medienzeit-elternblog.de/blog/sharenting-wenn-eltern-zu-viel-teilen

Kinderfotos von Schulen und Vereinen
👉 https://www.medienzeit-elternblog.de/blog/schulen-und-vereine-kinderfotos

Warum keine Kinderfotos online sollten
👉 https://www.medienzeit-elternblog.de/blog/keine-kinderfotos-online-stellen

Deepfakes und Nudify Apps: Die Gefahr ist längst in Schulklassen

Ein weitere LinkedIn-Kommentar unter dem o.g. Post beschreibt es treffend:

„Dafür braucht es kein Inflagranti Foto. Jeder Mensch, der irgendwo ein Profilfoto veröffentlicht, kann Opfer eines Deepfake werden.“

Auch wir haben hier schon gewarnt, wie Nudify Apps funktionieren:
👉 https://www.medienzeit-elternblog.de/blog/fake-nacktbilder-durch-ki-gefahr

In vielen Schulklassen sind bereits Kinder betroffen. Oft sind es Mädchen, aber längst nicht nur. Die Bilder wirken echt. Die Scham ist groß und die Angst sehr real.

Nacktbilder werden häufig unbedacht unter Kindern geteilt

Die Gefahr entsteht nicht nur durch kriminelle Täter und Erpresser. Viele intime Bilder werden von Kindern selbst verbreitet, oft ohne böse Absicht, aber leider mit enormen Folgen. Daher sprecht bitte eindringlich mit euren Kindern und erklärt ihnen, dass sie niemals intime Fotos teilen dürfen.

Mehr dazu:

Klassenchats zerstören mehr als sie nützen
👉 https://www.medienzeit-elternblog.de/blog/klassenchats-zerstoeren-mehr-als-sie-nuetzen

Klassenchats am besten gar nicht erst zulassen
👉 https://www.medienzeit-elternblog.de/blog/klassenchats-am-besten-gar-nicht-erst-zulassen

Sobald ein KI-bearbeitetes Bild in einem Klassenchat landet, verbreitet es sich schnell und unkontrollierbar. Und es geht nie wieder weg, das Netz vergisst nichts. Das macht unsere Kinder extrem verwundbar.

Warum Kinder und Jugendliche so verletzlich sind

  • sie machen sich viel zu wenig Gedanken

  • sie wissen teilweise nicht, dass Bilder so leicht fälschbar sind

  • sie haben Angst vor Ausgrenzung

  • Scham ist stärker als jede technische Warnung

  • viele schweigen lieber, als Hilfe zu suchen

Eltern erfahren häufig erst dann etwas, wenn es längst eskaliert ist. Umso wichtiger ist es daher, im Gespräch zu bleiben und “da zu sein”.

Was Eltern tun können

  • Über Scham sprechen
    „Wenn etwas passiert, komm zu mir. Du bekommst keinen Ärger.“

  • Deepfakes erklären
    Kinder müssen wissen, dass Bilder gefälscht sein können.

  • Webcam abdecken
    Ist oldschool, aber wirksam. Eine kleine Abdeckung verhindert zumindest echte Aufnahmen.

  • Geräte sicher halten
    Updates, Passwörter, Vorsicht bei Mails und Downloads.

  • Über Pornografie sprechen
    Ruhig, ehrlich, ohne Druck.

  • Keine heimliche Überwachung
    Kinder öffnen sich nur, wenn sie sich sicher fühlen.

Fazit

Unsere Kinder wachsen in einer Welt auf, in der intime Bilder nicht echt sein müssen, um echten Schaden anzurichten. Eine Welt, in der ein normales Foto aus dem Alltag ausreichen kann. Und in der künstliche Intelligenz Grenzen verwischt, die früher klar waren. Sextortion wird dadurch schneller, leichter und viel schwerer zu erkennen.

Eltern können diese technische Entwicklung nicht aufhalten. Niemand kann das. Und ganz ehrlich: Es ist auch nicht möglich, jede Funktion, jede App und jede neue Gefahr zu kennen. Das erwartet niemand von uns. Aber eines können wir tun: präsent sein, zuhören, ansprechbar bleiben.

Kinder brauchen ein Zuhause, in dem sie nicht mit Scham allein gelassen werden. Ein Zuhause, in dem Angst ernst genommen wird. Ein Zuhause, in dem ein Satz jederzeit gesagt werden kann: „Mir ist etwas passiert. Ich brauche Hilfe.“

Denn kein Kind sollte solche Momente schweigend durchstehen müssen. Wir brauchen offene Gespräche, Vertrauen und Nähe.

Am Ende schützt nicht das Verbot einer App, nicht die perfekte Einstellung am Gerät und nicht die beste Software.

Am Ende schützt unsere emotionale Beziehung. Und ein Kind, das weiß: Ich bin nicht allein.


Externe Quellen

Heise Online
Malware fotografiert Nutzer heimlich beim Pornokonsum
https://www.heise.de/news/Malware-fotografiert-Nutzer-heimlich-bei-Pornokonsum-10634665.html

Golem
Malware erkennt Pornoseiten und zapft Webcams an
https://www.golem.de/news/fuer-spaetere-erpressung-malware-erkennt-pornoseiten-und-zapft-webcams-an-2509-199783.html

Proofpoint Analyse
https://www.proofpoint.com/us/blog/threat-insight

BSI IT Sicherheitslage
https://www.bsi.bund.de

Tagesschau zu Sextortion
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/internet-betrug-erpressung-nacktbilder-100.html

Netzpolitik zu Deepfake Missbrauch
https://netzpolitik.org/2024/auf-den-punkt-sexualisierte-deepfakes-als-geschaeftsmodell/

LinkedIn Beitrag von Prof. Dr. Thomas Gabriel Rüdiger
https://www.linkedin.com/posts/tgruediger_stealerium-wenn-porno-erpressung-keine-leere-activity-7392974920139567104-Lki4

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