Kettenbriefe: Gewalt, Rassismus, Sex, gefährliche Challenges
Viele Eltern wissen gar nicht, was in den WhatsApp oder Signal Gruppen ihrer Kinder passiert. Was als harmloser Austausch über Schule oder Verein beginnt, wird schnell zu einem Ort, an dem Kettenbriefe, Angst, Gewaltvideos und gefährliche Mutproben kursieren.
Bild generiert mit Hilfe von KI (ChatGPT/DALL·E, OpenAI)
Wie alles beginnt
Oft werden Kinder gar nicht gefragt, ob sie in so eine Gruppe wollen. Sie werden einfach von anderen Kindern oder Klassenkameraden hinzugefügt. Schon Grundschulkinder landen so in Chats, in denen hunderte Nachrichten am Tag verschickt werden. Manche davon sind lustig oder belanglos, aber immer öfter tauchen Inhalte auf, die dort nichts zu suchen haben. Gewalt, Rassismus, Sex oder gefährliche Challenges.
Viele dieser Videos sind als Mutprobe getarnt:
„Traust du dich, das anzusehen“
„Wer es weiterschickt, ist mutig“
„Nur Angsthasen löschen das wieder“
So geraten Kinder unter Druck, Dinge zu öffnen oder weiterzuleiten, die sie gar nicht verstehen oder ertragen können. In vielen Schulen kam es schon zu Fällen, in denen Kinder sich gegenseitig beim Würgen bis zur Ohnmacht gefilmt haben. Manche mussten danach ins Krankenhaus. Fast überall, wo wir mit Eltern oder Lehrkräften gesprochen haben, gab es ähnliche Geschichten.
Hinter vielen dieser Kettenbriefe steckt der Aufruf, verstörende oder gewalttätige Videos anzuschauen, sogenannte Gore Videos, die echte Verletzungen, Unfälle oder Tötungen zeigen. Kinder werden ermutigt, sie als Beweis für Mut oder Stärke zu sehen. Solche Bilder sind jedoch so grausam, dass viele Kinder sie nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Eltern berichten, dass ihre Kinder wochenlang schlecht schlafen, Angst entwickeln oder plötzlich still und verschlossen werden.
Auch sexuelle Inhalte tauchen häufiger auf. In manchen Gruppen werden Kinder und Jugendliche zu sogenannten „Challenges“ aufgefordert, bei denen sie sexuelle Handlungen nachstellen oder filmen sollen. Eine bekannte Form ist die sogenannte BJ Challenge (ja, genau das), bei der Kinder dazu gedrängt werden, intime Szenen nachzuahmen oder zu zeigen. Diese sogenannten Mutproben zerstören Schamgrenzen, erzeugen Druck und können schwere psychische Folgen haben. Abgesehen davon, bekommt man solche Videos und Fotos meist nie mehr aus dem Netz.
Viele Kinder verstehen gar nicht, was sie da sehen oder tun sollen, sie wollen einfach dazugehören. Doch genau das macht die Gefahr aus: Sie werden mit Inhalten konfrontiert, die sie schädigen, überfordern, verängstigen oder traumatisieren können.
Für Eltern ist wichtig zu wissen: Diese Dinge passieren nicht irgendwo im Internet, sondern direkt auf den Handys unserer Kinder. In Klassenchats, Gruppen oder Spielchats, die eigentlich harmlos wirken. Darum ist es so wichtig, mit Kindern darüber zu sprechen, klare Grenzen zu setzen und sie gar nicht erst in Messenger Gruppen zu lassen.
Warum Gruppen mehr schaden als nützen
Klassen oder Vereinschats wirken auf den ersten Blick praktisch, sind es aber nicht. Kettenbriefe haben es hier besonders leicht und erreichen schnell viele Personen. Für Kinder bringen Gruppenchats ohnehin so gut wie keine Vorteile, dafür eine Menge Stress und Risiko:
Sie können sich nicht selbst schützen, weil sie unfreiwillig hinzugefügt werden
Fremde Inhalte oder verstörende Videos tauchen plötzlich auf
Es entsteht ständiger Druck mitzulesen oder zu antworten
Streit, Ausgrenzung oder Mobbing passieren direkt im Handy – und das rund um die Uhr
Warum wir von Klassenchats grundsätzlich abraten, erklären wir hier ausführlicher:
👉 Klassenchats zerstören mehr als sie nützen
Es passiert nicht nur auf WhatsApp
Viele Eltern denken bei Messenger Chats zuerst an WhatsApp oder Signal. Doch problematische Inhalte tauchen auch in Apps auf, die Eltern oft gar nicht auf dem Schirm haben. Zum Beispiel in Discord, einem beliebten Chatprogramm für Gamer, oder in Gamechats direkt in Spielen wie Minecraft oder Roblox.
Gerade dort werden Kinder oft in Gruppen oder private Gespräche hineingezogen, ohne zu verstehen, mit wem sie eigentlich sprechen. Fremde können sich als Gleichaltrige ausgeben, Links schicken oder Videos verbreiten, die Kinder überfordern.
Warum wir besonders vor Roblox warnen, hat noch mehr Gründe:
👉 Verbietet endlich Roblox
Was Eltern tun können
Mit Kindern sprechen: Sprecht mit euren Kindern offen über Messenger und erklärt, warum Gruppen gerade in jungen Jahren komplett tabu sein sollten
Einstellungen prüfen: Bei WhatsApp könnt ihr festlegen, dass Kinder nicht automatisch zu Gruppen hinzugefügt werden können. Das ist kein vollständiger Schutz, aber ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Mehr dazu findet ihr hier:
👉 WhatsApp – worauf Eltern achten solltenÜber Druck sprechen: Kinder sollen wissen, dass sie nicht mitmachen müssen, nur um dazuzugehören
Kettenbriefe löschen: Nichts weiterleiten, egal was darin steht. Sie sind immer erfunden
Ruhe bewahren: Wenn ein Kind etwas Schlimmes gesehen oder weitergeschickt hat, braucht es Verständnis, keine Strafe
Mit anderen Eltern reden: Je mehr Eltern Bescheid wissen, desto leichter lassen sich solche Gruppen ganz vermeiden
Fazit
Kinder können sich selbst nicht vor diesen Inhalten schützen. Sie werden von Freunden oder Klassenkameraden einfach in Gruppen hineingezogen, in denen sie mit Angst, Gewalt oder sexuellen Inhalten konfrontiert werden. Und das passiert nicht nur tagsüber, sondern zu jeder Uhrzeit, sobald das Handy oder das Spiel aufleuchtet.
Deshalb braucht es eine klare Haltung von Anfang an. Keine Gruppen, keine Weiterleitungen, kein Druck. Kinder brauchen keine Messenger Gruppen und keine Chatfunktionen in Spielen, sondern Erwachsene, die sie schützen.